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Natur oder Labor – Fruchtkörper oder Myzelium?

 

Überblick: Pilzfruchtkörper werden seit Jahrhunderten, sogar Jahrtausenden zur Unterstützung der Gesundheit eingesetzt. Der Anbau und die Zucht voll ausgereifter Fruchtkörper erfordert grosse Expertise, ist aufwändig und teuer. Darum geht der Trend in den USA und zunehmend in Europa hin zu Pilzkulturen auf Getreidesubstraten aus dem Labor. So lässt sich innert kurzer Zeit viel Masse zu einem tiefen Preis herstellen. Dies geht aus mehreren Gründen zu Lasten der Inhaltsstoffe. 

Es gibt bei Pilzprodukten grosse Unterschiede, welche Teile des Pilzes, Fruchtkörper und/oder Myzel, als Rohstoff kultiviert und verarbeitet werden. Dieses Thema ist für die therapeutisch erfolgreiche Anwendung von Vitalpilzen insofern von grosser Bedeutung, als dass Pilze Naturprodukte sind, die Konzentration der Inhaltsstoffe variabel ist und die Qualität des Produktes von zentraler Bedeutung für den therapeutischen Erfolg.

Viele Anbieter, besonders in Nordamerika (allen voran die Firma Aloha Medicinals), aber auch mehr und mehr in Europa , entscheiden sich heute für die Zucht von «Laborpilzen» auf Monosubstraten. Diese bestehen meist aus sterilisiertem Getreide, seltener Sägespäne, die in Plastiksäcke abgefüllt und mit Pilzsporen inokuliert werden. Das Myzelium-Getreide-Gemisch wird unter möglichst sterilen Bedingungen getrocknet, vermahlen, verkapselt und vertrieben.

Das hat grosse Vorteile für den Hersteller:

  • das Anzuchtmaterial, das nicht vom Getreide trennbar ist, kann bei der Verarbeitung mitverwendet (vermahlen) werden. Das erzeugt zusätzliche Masse.

  • Wird Bio-zertifiziertes Getreide wie Reis, Hirse, Gerste oder Mais verwendet, sind ansonsten nur mit grossem Aufwand zu erlangende und teure Bio-Zertifikate bereits inklusive.

  • Es lässt sich ein enorm hoher Polysaccharid-Gehalt ausweisen, ohne dass der Hersteller damit lügen würde: die im Getreide enthaltenen Stärken sind ebenso Polysaccharide, wie das Chitin – nur eben nicht die pharmakologisch interessanten 1,3-1,6-Beta-D-Glukane (vgl. dazu die Kategorien Inhaltsstoffe und Polysaccharide).

  • Das in sterilem Milieu angezogene Myzelium ist Umwelteinflüssen kaum ausgesetzt und somit besteht eine gewisse Reinheitsgarantie, was Schwermetalle und andere möglichen Umweltbelastungen angeht. Aufwändige und teure Analysen können auf dem Minimum der gesetzlichen Bestimmungen gehalten werden.

  • Anzucht von Myzelium, teilweise mit «Jungpilzen», also dem Fruchtkörper in seinem primordialen Zustand, spart sehr viel Zeit gegenüber der Kultivierung optimal ausgereifter Fruchtkörper. Es lässt sich also nicht nur mehr Masse produzieren, sondern auch in geringerer Zeit. Die Produktion von Myzelium-Substrat-Gemisch ist somit im Vergleich zum natürlichen Anbau wirtschaftlich gesehen unvergleichlich günstig.

  • Die spezifische Wahl des Anbauortes erübrigt sich, damit auch lange Transportwege. Ein Anzuchtlabor kann überall arbeiten.

  • Es eröffnen sich neue Möglichkeiten des Marketings, diese Produkte als «besonders ganzheitlich», «100% Bio», «vom ganzen Pilz» und als «besonders neuartig und neuwertig» anzupreisen.

Die Nachteile dieser Anbaumethode, insbesondere für den Verbraucher, sind folgende:

  • Durch die Untrennbarkeit von Myzelium und Substrat sinkt der Anteil des Myzeliums in der Kapsel. Herstellerangaben besagen zwar, es werde bis zu 99% des Anzuchtmaterials «verdaut», Analyseberichte (u.a. die umfangreiche Analyse des Fachvereins für Vitalpilzkunde) zeigen jedoch mit eindringlicher Deutlichkeit, dass das nicht stimmen kann 2.

  • Der Verbraucher wird durch den hohen ausgewiesenen Gehalt an Polysacchariden in die Irre geführt. Einzig wichtig bei der therapeutischen Anwendung von medizinischen Pilzen ist der Gehalt an pilzspezifischen 1,3-1,6-Beta-D-Glukanen. Die 1,3-1,4-Alpha-Glukane, wie sie im Getreide vorkommen, haben erwiesenermassen eine positive Auswirkung auf die Verdauung, nicht aber auf das Immunsystem (vgl. Kategorien Inhaltsstoffe und Polysaccharide).

  • Das Myzelium enthält gemäss Studien einen weniger hohen Gehalt an Beta-Glukanen und anderen wertvollen Inhaltsstoffen, die im Fruchtkörper hochkonzentriert vorkommen.

 

  • Das Myzelium bzw. die «Jungpilze» liegen als Pulver vor, die wertvollen Inhaltsstoffe zwischen den Zellwänden aus Chitin eingeschlossen. Das prozentual vorhandene Pilzpulver ist also nur zu 3-10% tatsächlich aufnehmbar. Was bei einem reinen Fruchtkörperpulver Sinn macht, macht hier Dank des bereits geringeren Gehalts wenig Sinn.

 

 

ACHTUNG: Myzelium-Produkte sind in der Schweiz nicht verkehrsfähig und dürfen offiziell nicht in den Handel gelangen. Die US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA) möchte mit einer Leitlinie verhindern, dass sogenannte „MOG – Mycelium On Grain-Produkte“ (z.B. Pilzmyzel mit Hirse- oder Getreide-Nährmedium) als Pilze bezeichnet werden. Dies sei irreführend, da diese Produkte eine andere Identität haben als reine Pilze (Compliance Policy Guide, Section 585.525) 1.

Bildlich gesprochen gehen wir zum Bäcker, um Brot zu kaufen und erwarten dabei, dass das Brot aus dem reinen gemahlenen Korn besteht. Würde der Bäcker nun ein «neuartiges, besonders ganzheitliches Bio-Brot» anbieten, bei dem mitsamt dem Korn auch dessen Schale, die Ähre, die Blätter, die Wurzeln und der Erdballen vermahlen wurde, wären wir als Kunden zumindest sehr verwundert.

Bei Pilzprodukten ist es ähnlich, nur dass die Zucht und Herstellung von pharmakologisch wirksamen Pilzprodukten sehr komplex und vielschichtig ist – und damit für den Endverbraucher, der kein tieferes Wissen über die Zusammenhänge hat und den Herstellerangaben ausgeliefert ist, sehr undurchsichtig.

Der Anbau unter natürlichen Bedingungen hat ebenfalls grosse Vor- und Nachteile:

  • Der Anbau von Vitalpilzen in der Natur erfordert bestimmte klimatische Bedingungen, mineralstoffreiche Böden, spezifisch auf die entsprechende Sorte angepasste Anzuchtmaterialien (vgl. Kategorie Substrate) und eine grosse Erfahrung der Pilzbauern.

  • Der Anbau von Vitalpilzen in der Natur bedeutet auch, dass die Pilze den jeweiligen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind und daher an möglichst wenig belasteten, bzw. reiner Umgebung stattfinden muss. Diese sind tatsächlich nicht mehr leicht zu finden und Pilze, die in belasteten Umgebungen wachsen, nehmen schnell Schadstoffe auf.

  • Hat ein Hersteller nicht seine eigenen, bewusst gewählten Pilzfarmen, bedarf der Einkauf von Rohstoffen.

  • Der Fruchtkörper des Pilzes ist biologisch gesehen das Genital des Myzeliums, seine Aufgabe ist es, die Sporen zu verbreiten und die Art zu erhalten. Das Myzelium der meisten Pilze bildet nur dann Fruchtkörper aus, wenn es an die Grenzen seines Lebensraumes stösst und sein Fortbestehen dadurch in Gefahr gerät. Da der Fruchtkörper des Pilzes für das Überleben und die Erhaltung seiner Art essentiell wichtig ist, ist er von der Natur mit entsprechenden biochemischen Substanzen gerüstet, die ihn vor anderen Pilzen, Fressfeinden, Bakterien etc. schützen (das Myzelium hat ähnliche, doch anders gelagerte Strategien als der Fruchtkörper sie bedarf). Diese biochemischen Substanzen, die wir spezifisch im Fruchtkörper in hoher Konzentration finden, sind für Menschen und Tiere von grösstem Interesse.

  • Der Anbau auf natürlichen Substraten erfordert viel Zeit und Geduld. So braucht der Fruchtkörper eines Reishi-Pilzes mindestens neun Monate, der eines Shiitake mindestens fünf Monate bis zur optimalen Reife. Das wirkt sich auf die Preise aus.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass der Anbau unter natürlichen Bedingungen für Hersteller äusserst aufwändig ist, viel Zeit, grosse Expertise und detaillierte Analyseberichte verlangt. Diese hohen Anforderungen sind schwer zu erfüllen, will man Pilzprodukte in medizinischer Qualität anbieten. Sind diese Bedingungen jedoch erfüllt, ist ein Fruchtkörperprodukt einem Mischprodukt in seiner therapeutischen Bedeutung in jedem Falle weit überlegen. Vergleichen Sie dazu auch die umfangreichen Analysen des Fachvereins für Vitalpilzkunde 2019/2020.

 

 

  1. https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/cpg-section-585525-mushroom-mycelium-fitness-food-labeling

  2. Wu et al. 2016. Evaluation on quality consistency of Ganoderma lucidum dietary supplements collected in the United States. Scientific Reports.

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